Stein und Salz – Winzer Lorenzo V. vom Gardasee
Ich bewirtschafte zwölf Hektar auf der Südseite des Gardasees,
in der Nähe von Peschiera. Der Boden hier ist eine Mischung aus Kalk, Ton und altem Moränenschutt – mineralisch, karg, aber unglaublich lebendig. Wenn es im Sommer kaum regnet, bleibt die Feuchtigkeit in tieferen Schichten hängen. Wer das versteht, weiß, warum die Reben hier so fein und salzig schmecken.
Wir arbeiten hauptsächlich mit Turbiana
– der regionalen Rebsorte, aus der Lugana entsteht. Sie ist empfindlich, braucht konstante Pflege und reagiert sofort auf Stress. Im Frühjahr zählt jede Stunde: Austrieb, Frostgefahr, Bodentemperatur – alles hängt zusammen. 2024 war hart. Zwei Nächte mit minus 2 Grad im April, und ich stand mit Rauchkerzen und Strohbündeln draußen, bis der Wind drehte.
Im Sommer geht es dann um Wasser. Wir haben keine klassische Bewässerung, nur Tropfleitungen in den Junganlagen. Ich halte den Boden bewusst etwas unruhig – keine geschlossene Begrünung, sondern punktuell gemähte Kräuterinseln. So bleibt die Oberfläche offen und kann Feuchtigkeit aufnehmen, wenn es mal regnet. Das sieht unordentlich aus, funktioniert aber.
Wir lesen meist Anfang September.
Zielwerte: 80–85 °Oechsle, pH zwischen 3,1 und 3,3, Säure 6,5–7,0 g/l. Entscheidend ist die Balance. Wenn die Säure kippt, verliert der Wein seine Spannung. Ich verkoste die Trauben regelmäßig mit meinem Kellermeister: Beerenhäute, Kerne, Frucht – alles muss stimmen.
Im Keller arbeite ich überwiegend mit Edelstahl, 10 % des Mostes gehen ins gebrauchte Barrique für Struktur. Keine neuen Fässer – zu dominant. Spontangärung bei 18 °C, danach 6 Monate Feinhefelagerung. Ich rühre die Hefe wöchentlich auf, bis der Wein eine leichte Cremigkeit bekommt. Dann stille Filtration, kein Kaltstabilisieren.
Das Ergebnis: eine mit Druck, aber ohne Schwere. Salzig im Abgang, leicht mandelig, mit dieser typischen Gardasee-Kühle. Wenn Gäste fragen, ob das Terroir „schmeckbar“ ist, sage ich: ja – aber nur, wenn man nicht zu viel macht.
Ich sehe viele Kollegen, die alles kontrollieren wollen. Ich glaube nicht an Kontrolle. Ich glaube an Vertrauen – in Boden, Klima, Hefe. Wenn man einmal gelernt hat, die natürlichen Rhythmen zu lesen, merkt man, dass der Wein vieles selbst regelt.
Weinbau ist hier kein Marketing, sondern tägliche Anpassung. Wind, Feuchte, Temperatur, Gärverlauf – alles reagiert sofort. Und trotzdem ist jeder Jahrgang ein neues Kapitel. 2025 könnte noch trockener werden, also planen wir schon jetzt, die Laubwände höher zu ziehen, um mehr Schatten zu schaffen.
Was mich am meisten erfüllt,
ist dieser Moment im November, wenn der Keller ruht. Wenn man das Gärgeräusch vermisst und der erste Jungwein im Glas steht: kühl, klar, mit diesem feinen Druck auf der Zunge. Dann weiß ich, dass der See, der Stein und die Rebe wieder ihr eigenes Gespräch geführt haben – und ich nur zugehört habe.