Zwischen Ton und Holz – Winzer Javier R. aus Rioja
Ich arbeite seit zwanzig Jahren im Rioja Alavesa,
in einem Betrieb, der noch Tonamphoren im Keller nutzt. Viele halten das für eine Mode, aber für uns war es nie Nostalgie – eher Rückkehr zu etwas, das funktioniert.
Unsere Böden sind schwer: kalkhaltiger Ton, stellenweise so dicht, dass man nach jedem Regen erst warten muss, bis der Traktor wieder durchkommt. Das Wasser läuft langsam ab, speichert sich aber tief. Das ist wichtig, denn in den letzten Jahren haben wir über Wochen hinweg Temperaturen über 35 Grad. Ohne diese Tiefe würden die Reben schlicht aufgeben.
Wir arbeiten mit Tempranillo und etwas Graciano. Die Reben sind im Schnitt 35 Jahre alt, wurzelecht. Ich habe gelernt, ihnen Raum zu geben – keine hohen Erträge, keine Überdüngung. Die Balance entsteht durch Zurückhaltung. Wir schneiden streng im Winter, lassen zwei Triebe pro Rebe. So trägt die Pflanze das, was sie auch versorgen kann.
2024 war ein schwieriges Jahr: ein trockener Frühling, dann Starkregen Ende Mai. Wir mussten zweimal in kurzer Folge spritzen, sonst wäre der Falsche Mehltau durchgegangen. Kupfer, aber nur minimal – 250 g pro Hektar. Danach kam der Wind, und der Sommer war gnadenlos. Viele Beeren blieben klein, aber das Aroma war konzentriert wie selten.
Wir lesen früh morgens, oft ab fünf Uhr, damit die Trauben kühl bleiben. 24 kg pro Kiste, alles per Hand. Im Keller trennen wir jede Parzelle. Ein Teil vergärt in offenen Betontanks, der Rest in 700-Liter-Tonamphoren. Ton atmet anders als Holz – gleichmäßiger, leiser. Er lässt die Frucht sprechen, ohne zu parfümieren.
Nach der Gärung kommt der Wein sechs Monate auf die Feinhefe,
danach für zehn Monate in gebrauchte französische Barriques. Ich mag keine neuen Fässer – sie überdecken den Jahrgang. Wir probieren regelmäßig, notieren pH-Werte, SO₂, aber am Ende entscheidet der Geschmack. Wenn der Wein nach Erde riecht, nach Graphit und einer Spur getrockneter Feige, dann weiß ich: Das ist Rioja, wie ich sie kenne.
Die größte Herausforderung bleibt das Klima. Wir haben begonnen, Rebschnitt und Begrünung komplett neu zu denken. Kürzere Triebe, höheres Laub, um Schatten auf die Trauben zu werfen. Zwischen den Reihen säen wir Senf und Hafer, um Verdunstung zu bremsen. In manchen Parzellen testen wir Bewässerung über Tropfschläuche – noch selten in Rioja, aber unvermeidlich, wenn die Sommer so bleiben.
Ich sage oft: Der Weinbau ist kein romantisches Erbe, sondern ständige Anpassung. Wer sich auf Tradition ausruht, verliert den Anschluss. Trotzdem spüre ich jeden Herbst dieselbe Ruhe, wenn die letzten Kisten in den Keller kommen. Dann riecht alles nach Most, Hefe und warmem Stein.
Wein ist für mich kein Produkt, sondern ein Protokoll des Jahres. Der Boden schreibt, der Himmel diktiert, und wir unterschreiben.