Winzer im Porträt – Anna Kessler, Mosel
Zwischen Wetter und Wille
Wenn man Anna Kessler im Weinberg trifft, steht sie selten still.
Sie läuft Reihen ab, fasst Blätter, prüft die Spannung der Drähte, kniet, riecht, notiert.
„Manchmal glaube ich, die Reben wollen einfach nur, dass man hinschaut“, sagt sie, und meint das wörtlich.
Anna ist 32, hat in Geisenheim studiert, danach ein paar Jahre in Südtirol und Neuseeland gearbeitet.
Seit drei Jahren führt sie das kleine elterliche Weingut an der Mittelmosel – 3,5 Hektar, alles Steillage, fast ausschließlich Riesling.
Ihr Vater hat noch mit der Handspritze gearbeitet. Sie spritzt heute kaum noch, setzt auf Kräuterextrakte, Tees und Zeit.
„Ich wollte nie etwas Revolutionäres machen. Ich wollte verstehen, warum es so ist, wie es ist.“
Neuer Wein, alte Böden
Die Böden hier – blauer Schiefer, steil, brüchig – speichern tagsüber Hitze, nachts geben sie sie ab.
Die Reben wurzeln tief, manche über 80 Jahre alt.
Anna behandelt sie wie alte Menschen – mit Respekt, aber ohne Schonung.
„Wenn man sie in Ruhe lässt, wissen sie, was sie tun.“
Sie arbeitet biodynamisch, aber ohne Etikett.
Hornkiesel ja, Kupfer nein.
Ihr wichtigster Eingriff: Weglassen.
Der Alltag
Ein typischer Tag beginnt um sechs, endet, wenn es dunkel wird.
Papierkram, Traktor, Rebschnitt, Kunden.
Und immer wieder die Frage: Wie bleibt man ruhig, wenn man weiß, dass ein einziger Hagel alles zerstören kann?
Anna lächelt. „Man lernt, sich nicht gegen das Wetter zu stellen. Man lernt, mit ihm zu sprechen.“
Wein als Dialog
Ihre Weine sind leise – karg, salzig, nicht gefällig.
Sie schmecken nach Stein, nach Geduld, nach Arbeit ohne Drama.
„Ich will nicht, dass der Wein nach mir schmeckt“, sagt sie. „Ich will, dass er nach hier schmeckt.“