Zwischen Rebe und Tank – Winzerin Clara M. aus der Pfalz
Wenn man ein Weinjahr begleitet,
lernt man schnell, dass Routine selten funktioniert. Jeder Frühling ist anders. Dieses Jahr kam der Austrieb fast zwei Wochen früher als erwartet. Wir mussten den Rebschnitt im März deutlich beschleunigen, weil die Temperaturen im Februar schon über 15 Grad lagen. So etwas war vor zehn Jahren noch unvorstellbar.
Ich bewirtschafte 12 Hektar im südlichen Teil der Pfalz, auf Kalkmergel und leichtem Sand. Die Böden speichern Wasser gut, aber die Sommer werden trockener. Also experimentieren wir mit Begrünung: Luzerne, Klee, ein paar mediterrane Kräuter. Das Ziel ist, die Bodenstruktur stabil zu halten, auch wenn es wochenlang nicht regnet.
Die größte Umstellung der letzten Jahre war für mich die Reduktion des Pflanzenschutzes. Ich arbeite inzwischen weitgehend biologisch, verwende Schwefel, Kupfer und Netzschwefel nur minimal. Wichtig ist der richtige Zeitpunkt. Wenn die Infektionsgefahr hoch ist, zählt jede Stunde. Ich schaue nicht nur auf Wetter-Apps, sondern auf die Blätter – ihr Glanz, ihre Spannung, ihre Feuchtigkeit sagen mehr als jede Prognose.
Im Sommer kontrolliere ich den Laubwandaufbau sehr genau.
Zu dichtes Laub fördert Botrytis, zu wenig schützt die Trauben nicht vor Sonnenbrand. Wir arbeiten inzwischen mit selektivem Entblättern – die Südseite bleibt geschützt, die Nordseite wird geöffnet. Das bringt Balance zwischen Belüftung und Beschattung.
Die Lese war dieses Jahr Anfang Oktober. Wir haben mit 85 °Oechsle gelesen – nicht zu reif, aber aromatisch dicht. Der größte Teil ging direkt in Edelstahl, ein kleiner Teil in 500-Liter-Tonneaux. Ich mag die Kombination aus Frische und Struktur. Spontangärung hat sich bewährt, wenn die Trauben gesund sind. Dann entsteht ein stabiler Verlauf ohne Eingriffe.
Im Keller gilt bei uns das Prinzip
„so wenig wie möglich, so viel wie nötig“.
Keine Enzyme, keine Schönung, keine Filtration, wenn es sich vermeiden lässt. Ich kontrolliere die Gärung zweimal täglich, messe Temperatur und Restzucker, aber ich greife selten ein. Manchmal bleibt ein Wein über Wochen auf der Hefe, weil er einfach Zeit braucht.
Der spannendste Moment ist die erste Verkostung im Januar. Dann merkt man, ob sich das Jahr im Wein abbildet. 2025 zeigt sich bisher sehr präzise: kühle Frucht, feine Säure, kein Übergewicht. Man schmeckt, dass der Sommer heiß, aber die Nächte kühl waren. Genau das will ich – Weine mit Herkunft, nicht mit Rezept.
Viele Besucher glauben, Weinbau sei Romantik.
Aber in Wahrheit ist es Handwerk, Logistik und Beobachtung. Man steht oft allein im Weinberg, misst Feuchtigkeit, prüft den Rebschnitt oder repariert eine Tropfleitung. Doch wenn abends das Licht flach über die Zeilen fällt und man sieht, wie gleichmäßig die Trauben hängen, weiß man, warum man das macht.
Wein ist kein Produkt. Es ist das Resultat von Hunderten kleinen Entscheidungen, die man nur trifft, wenn man draußen ist – mit den Händen, mit den Augen, mit Erfahrung.