Wein & mehr

Kühle Höhen, langsame Reife – Winzer Martin K. aus Südtirol

Ich arbeite auf 620 Metern Höhe oberhalb von Kaltern.

Viele nennen das „Grenzlage“. Für mich ist es einfach der Ort, an dem der Wein Zeit bekommt. Die Nächte sind hier oben kühl, selbst im Hochsommer. Das hält die Säure stabil und sorgt für diese straffe, fast alpine Frische, die ich an meinen Weißweinen liebe.

Unsere Parzellen liegen an steilen Hängen mit Schotter, Porphyr und etwas Lehmanteil. Mechanische Arbeit ist hier kaum möglich. Alles wird per Hand gemacht – Laubarbeit, Lese, sogar das Ausbringen des organischen Düngers. Wir setzen auf Mistkompost aus der eigenen kleinen Rinderhaltung, ergänzt durch Traubentrester vom Vorjahr. Das hält den Boden lebendig und speichert Wasser besser als jeder Kunstdünger.

Im Frühjahr entscheidet sich vieles.

2024 war kühl, mit Spätfrost bis Anfang Mai. Wir mussten mit Paraffinkerzen und Luftumwälzern arbeiten, um die jungen Triebe zu schützen. Das kostet Kraft, aber es lohnt sich. Die kleinen, gesunden Trauben im September zeigen, dass die Pflanze gelernt hat, mit Stress umzugehen.

Ich baue hauptsächlich Sauvignon Blanc und Weißburgunder an, ein bisschen Vernatsch für den Eigenbedarf. Beim Sauvignon geht es mir nicht um tropische Frucht, sondern um Präzision: Bergkräuter, Holunder, Salz. Dafür lese ich spät, meist Ende September, aber nur in den kühlen Morgenstunden.

Im Keller arbeite ich minimalistisch.

Edelstahl für die Gärung, ein kleiner Teil im neutralen Holzfass. Keine Reinzuchthefe – nur Spontangärung, kontrollierte Temperaturen um 17 °C. Danach bleibt der Wein 7–8 Monate auf der Feinhefe, wird regelmäßig aufgerührt, aber nicht filtriert. Ich fülle erst im späten Frühjahr.

Manchmal fragen Besucher, warum ich so viel Geduld habe. Weil man sie hier oben automatisch lernt. Wenn die Lese sich wegen Nebel um Tage verschiebt, hat man keine Wahl. Und genau das spürt man im Glas: nichts Gehetztes, nichts Überreifes.

Die größten Herausforderungen sind der Klimawandel und die Erosion. Wir pflanzen seit zwei Jahren in Terrassenform neu an, mit Trockenmauern aus Porphyrsteinen. Das hält den Hang stabil und gibt dem Weinberg Charakter. Nachhaltigkeit heißt für mich nicht, ein Zertifikat zu haben, sondern dafür zu sorgen, dass mein Sohn hier in zwanzig Jahren noch dieselbe Erde unter den Fingern hat.

Wenn ich abends durch die Reihen gehe, höre ich manchmal nur das Summen der Insekten und das Knacken der Steine unter den Schuhen. Dann weiß ich, dass hier oben noch alles im Gleichgewicht ist.